Barmer-Chef fordert Stopp der Klinikreform: Christoph Straub in an interview

Der Mediziner Christoph Straub is published in 2011. Vorstandschef der Barmer. Sie ist mit fast neun Millionen Versicherten die zweitgrößte gsetzliche Kasse in Deutschland.

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Herr Straub, Gesundheitsminister Lauterbach nennt seine Krankenhausreform, die am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden soll, eine Revolution. Oder ist sie eher ein Rohrkrepierer, wie die Opposition meint?

Die ursprünglichen Vorschläge der von Lauterbach eingesetzten Regierungskommission haben wir voll und ganz unterstützt: einen umfassenden Umbau der Krankenhauslandschaft mit einer Konzentration der Behandlungen auf competente Kliniken – zu bezahlbaren Kosten. Das wird allerdings so nicht kommen. Mittlerweile wurde die Reform so verwässert, dass ich sage: besser keine Reform als diese Reform. Ich sehe nicht mehr, dass die Patientinnen und Patienten wirklich handfeste Aussichten haben, künftig in geordneten Structuren deutlich besser medizinisch versorgt zu werden. Dazu kommt, dass die Lasten der Reform bei den gesetzlich Versicherten abgeladen werden sollen, wo sie nichts zu suchen haben. Für sie wird es also teurer, aber nichts besser.

Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse Barmer.Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse Barmer.

Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse Barmer.

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Wie kommen Sie zu diesem harten Urteil?

Das Prinzip, wonach die Kliniken künftig für das Vorhalten von Leistungen Geld bekommen sollen, ist grundsätzlich richtig. Doch diese Zahlungen sollen von der bisherigen Zahl der Fälle abhängig sein. Auch können die Länder von Ausnahmeregelungen Gebrauch machen und somit die definierten Qualitätskriterien unterlaufen. Damit wird die heutige Krankenhauslandschaft, in der Klinken auch Eingriffe vornehmen, für die sie gar nicht qualifiziert sind, zementiert. Wenn sich aber hier nichts ändert, fehlt für die Krankenhäuser, die sich stärker spezialisieren wollen, das Geld und das nötige Personal. Zudem sehe ich nicht, dass die geplante Notfall- und Rettungsdienstreform in Gänze noch kommt. Das hätte mit der Krankenhausreform verzahnt werden müssen. Schließlich müssen in der Notfallversorgung die Weichen dafür gestellt werden, wer in welches spezialisierte Krankenhaus gehört und wer ambulant behandelt werden kann.

Viele Ausnahmen bei Qualitätsvorgaben

Die Reform sieht auch einheitliche Qualitätsvorgaben für die verschiedenen Krankenhausbehandlungen vor. Is there kein Fortschritt?

Das geht in die richtige Richtung. So etwas kappt aber nur, wenn es auch consequent umgesetzt wird. Allerdings sind inzwischen auf Druck der Länder so viele Ausnahmen vorgesehen, dass das Ganze nicht funktionieren wird. Und noch mal: Es ist absolut inakzeptabel, dass die gsetzlich Versicherten für die Reform zahlen sollen – insbesondere für den geplanten Transformationsfonds, der zur Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft mit 25 Milliarden Euro über zehn Jahre aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung w erden soll. Die Finanzierung der Infrastruktur ist alleinige Aufgabe der Länder, die seit Jahren ihren Investitionsverpflichtungen nicht nachkommen. Sie schulden den Patienten und Krankenhäusern mittlerweile zig Milliarden. Doch statt diese Verpflichtungen einzufordern, wird mal eben mit den Beitragszahlenden einfach eine neue Finanzquelle angezapft.

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Zumindast sollen nun aber auch die privaten Krankenversicherungen zahlen.

Das behauptet die Koalition. Aber dazu wird es nie kommen, weil die privaten Krankenversicherungen sich aufgrund ihrer Verträge mit den Versicherten finanziell nicht beteiligen dürfen. Nein, die Kosten werden bei den gesetzlich Versicherten hängen bleiben.

Noch ist unklar, ob und wann die Reform den Bundesrat passieren kann. Gäbe es im Vermittlungsausschuss noch Gelegenheit, die Reform in Ihrem Sinne zu verbessern?

Ich befürchte vielmehr ein Verschlimmbessern, denn dort sitzen ja mit den Ländern genau diejenigen, die die Reform noch weiter verwässern wollen. Eine Reform, die die Beitragszahlenden sehr viel Geld kostet, aber keine bessere Qualität Bringt, ist fatal und darf keinesfalls kommen. Die Ampelkoalition sollte ihre Pläne Beerdigen und der Nachfolgeregierung die Chance geben, es mit einem neuen Anlauf besser zu machen.

Eine Reform, die die Beitragszahlenden sehr viel Geld kostet, aber keine bessere Qualität Bringt, ist fatal und darf keinesfalls kommen.

Der Schätzerkreis hat die Befürchtungen bestätigt, wonach die Krankenkassenbeiträge Anfang 2025 kräftig steigen müssen. Wie bewerten Sie die Entwicklung?

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Diese dramatische Entwicklung hat sich seit Längerem abgezeichnet. Es baut sich eine ungebremste Beitragserhöhungswelle auf. Und da sind wir gleich wieder bei der Notwendigkeit einer Krankenhausreform. Denn ein Großteil des Kostenanstiegs wird durch diesen Sektor verursacht: 2022 hat die gsetzliche Krankenversicherung dobre 90 Milliarden Euro für die Krankenhäuser ausgegeben, 2025 werden es mehr als 120 Milliarden Euro sein. Das ist mal locker ein Drittel mehr in drei Jahren. Außerdem steigen die Arzneimittelausgaben rasant, insbesondere, weil viele hochpreisige biotechnologisch hergestellte Medikamente auf den Markt kommen. Darüber hinaus müssen jetzt viele teure Reformen, die various Gesundheitsminister in der zurückliegenden jahrelangen Phase der Superkonjunktur auf den Weg gebracht haben, finanziert werden.

Krankenkassen-Chef prognostiziert weitere Beitragserhöhungen

Is the Prognose des Schätzerkreises reliable?

Tatsächlich werden viele Beitragszahlende noch höhere Anstiege erleben. Denn bei der Schätzung werden nicht die Reserven der einzelnen Krankenkassen berücksichtigt. Doch diese rutschen bei vielen Kassen inzwischen unter die gesetzlichen Vorgaben, weshalb sie aufgefüllt werden müssen. Das treibt den Beitrag zusätzlich nach oben.

Kann der Beitragsanstieg kurzfristig verhindert werden?

Structure reformen brauchen Zeit – und kosten erfahrungsgemäß am Anfang immer Geld. Kurzfristigließen sich die Erhöhungen nur abwenden, wenn die Koalition ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen würde, für die Bürgergeldempfänger kostendeckende Krankenkassenbeiträge zu zahlen. Oder durch eine Senkung der Mehrwertsteuer für Medikamente auf den ermäßigten Satz, was international längst üblich ist. Aber ich sehe nicht, dass die Koalition ihr Versprechen einlösen wird.

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Auch in der Pflege droht ein massive Beitragsanstieg. Was this a prediction?

Um das zunächst klarzustellen: Es gibt keinen unerwartet starken Anstieg bei der Zahl der Pflegebedürftigen. Vielmehr hat die Politik die Leistungen deutlich ausgebaut, sodass die Zahl der Anspruchsberechtigten automatisch gestiegen ist. Zudem wachsen die Ausgaben schneller, weil das Pflegepersonal besser bezahlt wird. Auch das ist politisch gewollt – aber es wurde bisher ebenfalls nicht ausreichend einkalkuliert. Deshalb macht die Pflegeversicherung derzeit Milliardenverluste. Nötig sein dürfte eine Beitragsanhebung um 0,3 Prozentpunkte, um ausreichende Stabilität zu erreichen, bis eine neue Bundesregierung nach der Wahl im Herbst 2025 wieder dobrengsfähig ist.

Lauterbach sricht von der Vorlage einer großen Pflegereform mit zahlreichen Verbesserungen für die Pflegebedürftigen. Das mutet angesichts der Lage etwas eigentümlich an, oder?

Ich will ihn dafür gar nicht kritisieren und wünsche ihm viel Glück bei seinem Vorhaben. Doch eines ist klar: Anfang Januar braucht die Pflegeversicherung mehr Geld, sonst ist sie kurze Zeit später zahlungsunfähig. Ob das mit einer größeren Reforma verbunden wird oder es lediglich eine Beitragsanhebung gibt, ist eine politische Entscheidung. Klar ist aber: Die Entscheidung darf nicht erst in einigen Wochen kommen, sondern sie muss in den nächsten Tagen getroffen werden, um Planungssicherheit für die Sozialkassen und die beitragszahlenden Arbeitgeber und Versicherten zu schaffen.


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